Erika Marga Helene Mathilde Reinken wird am 24. März 1914 als erstes Kind von Karl Reinken und Martha Reinken in Oldenburg geboren. Sie ist die ältere Schwester von Walter Reinken, Elfriede Irma Gerda Reinken, Ilse Wegner und Erika Rufer.
Am Tag von Erikas Geburt trifft der deutsche Kaiser Wilhelm II. an Bord seiner Yacht „Hohenzollern“ in Venedig ein. Dort steht am nächsten Tag ein Treffen mit Italiens König Viktor Emanuel III. auf dem Programm, das zeitgenössischen Quellen zufolge sehr freundschaftlich verläuft. „Die Monarchen küssten einander wiederholt und schritten die Front der Ehrenwache unter den Klängen der italienischen Marcia Reale ab“, heißt es dazu am 26. März 1914 in der Oldenburger Tageszeitung „Nachrichten für Stadt und Land“. Nach einer mehr als 60-minütigen Unterredung unter vier Augen geht Viktor Emanuel bei strömendem Regen wieder an Land. Am nächsten Tag verfolgt er gemeinsam mit Wilhelm Gefechtsübungen auf dem mitgereisten Panzerkreuzer „Goeben“ und führt seinen Gast durch den frisch renovierten Dogenpalast.
Anlass für den Besuch sind die zunehmenden Zweifel Deutschlands und Österreich-Ungarns daran, ob Italien zu seinen im Rahmen des Dreibunds eingegangenen Pflichten steht. Dazu gehört unter anderem die Unterstützung im Falle eines gleichzeitigen Angriffs zweier anderer Mächte oder eines unprovozierten französischen Angriffs auf Deutschland oder Italien. Spannungen gibt es vor allem zwischen Italien und dem Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn, in dessen Herrschaftsbereich rund 800.000 Italiener leben. So erheben italienische Nationalisten Anspruch auf die Provinz Trentino, die Hafenstadt Triest und auf Teile Südtirols, was für Österreich-Ungarn völlig undiskutabel ist. Beide Länder streben zudem danach, ihre Macht und ihren Einfluss in der Balkan-Region auszubauen.
Wie berechtigt die Bedenken der seit vielen Jahren eng kooperierenden Zweibund-Partner Deutschland und Österreich-Ungarn sind, zeigt sich nur wenige Monate später. Als nämlich die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand durch serbische Nationalisten Anfang August 1914 den Ersten Weltkrieg auslöst, steht Italien nicht an der Seite seiner Bündnispartner, sondern erklärt sich zunächst für neutral. Aus Sicht der Regierung durchaus im Einklang mit dem Dreibund-Vertrag, da der Konflikt sich in erster Linie an der von deutscher Seite gedeckten Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien entzündet. Bei dieser Haltung bleibt es jedoch nicht: Um in puncto Gebietsabtretungen den Druck auf Österreich-Ungarn zu erhöhen, nimmt Italiens Ministerpräsident Antonio Salandra parallel zu Gesprächen mit der Regierung in Wien noch im Spätsommer 1914 Verhandlungen mit Vertretern der Triple Entente auf. Am Ende bieten die Gegner Deutschlands und Österreich-Ungarns für den Erfolgsfall die größere Beute, und nach Abschluss des Londoner Vertrags im April 1915 greift Italien an der Seite Frankreichs, Großbritanniens und Russlands ins Kriegsgeschehen ein.
Für den greisen österreichischen Kaiser Franz Josef I. ein in der Geschichte einzigartiger Treuebruch, der mit einiger Sicherheit auch in Hemmelsberg Empörung auslöst. Dort arbeitet Erikas Vater seit 1913 als Dorfschullehrer – und hat anders als sein Altmoorhauser Kollege Johann Folkers das Glück, als unabkömmlich zu gelten und nicht zum Kriegsdienst einrücken zu müssen. Weil er dem moderneren Schulgebäude vorsteht, unterrichtet Karl Reinken von April 1916 an die Kinder beider Dörfer. Das dadurch entstehende alltägliche Gedränge im Klassenraum und auf dem Schulhof dürfte mit zu den ersten Eindrücken gehören, die Erika in ihrem Umfeld bewusst wahrnimmt.
Wäre der Erste Weltkrieg bei einem Verbleiben Italiens in der Neutralität oder bei einem Eintritt auf Seiten der Mittelmächte anders ausgegangen? Eine rein hypothetische Frage, die sich kaum seriös beantworten lässt. Einer Einschätzung der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge hat die Alpen-Front österreichische und deutsche Kräfte gebunden, die anderswo fehlten. Und: „Hätte Italien Deutschland im Sommer 1914 die einst vorgesehene entschiedene Hilfe gebracht, dann wäre möglicherweise sogar die Marne-Schlacht anders ausgegangen.“ Spätestens jedoch mit dem Kriegseintritt der USA im Frühjahr 1917 geraten die Mittelmächte derart ins Hintertreffen, dass es im November 1918 zu den einer Kapitulation gleichkommenden Waffenstillständen von Compiègne und Villa Giusti keine ernsthafte Alternative mehr gibt. Italien steht also auf der Seite der Sieger und kann einen Großteil seiner territorialen Forderungen durchsetzen – zahlt dafür aber mit rund 1,6 Millionen Toten und Verletzten einen hohen Blutzoll.
Wie Erika und ihre Familie in Hemmelsberg die Abdankung von Kaiser Wilhelm, die Ausrufung der Weimarer Republik und kurz darauf mit dem Spartakus-Aufstand sowie dem Kapp-Putsch die ersten Revolten gegen den neuen Staat erleben, ist nicht überliefert. Sehr wahrscheinlich im Revolutionsjahr 1918 ist die einzige bekannte Fotografie entstanden, auf der Erika zu sehen ist: Sie zeigt sie als Vorschulkind auf einem offiziellen Schulfoto, eng geschmiegt an ihren Vater.
Ein regulärer Schulbesuch bleibt Erika verwehrt. Sie stirbt in den Morgenstunden des 21. Juni 1920 nach „kurzer, heftiger Krankheit“, ohne dass das Kirchenbuch eine Todesursache nennt. Beerdigt ist sie drei Tage später auf dem Alten Friedhof in Osternburg.